Stolpersteine im Cäcilienchor Frankfurt
Erinnerungsarbeit für die von den Nationalsozialisten verfolgten Mitglieder im Cäcilienchor und ihre Familien
Der Frankfurter Cäcilien-Verein blickt auf eine mehr als 200-jährige Tradition zurück, in der – wie im gesamten Kulturleben in Deutschland – der Nationalsozialismus von 1933 bis 1945 sehr dunkle Spuren hinterlassen hat. Bis zur Machtergreifung Hitlers 1933 hatten zahlreiche Familien jüdischer Herkunft das Frankfurter Kulturleben in besonderer Weise geprägt und gefördert.
Aus den historischen Mitgliederlisten geht hervor, dass Frankfurter Cäcilien-Verein Anfang der 1920er Jahre etwa 500-600 aktive und passive, also fördernde Mitglieder hatte. Mutmaßlich rund ein Fünftel von ihnen hatte jüdische Wurzeln. Der überwiegende Teil von ihnen wurde durch die Nationalsozialisten gedemütigt, entrechtet, ausgeraubt, verfolgt, ermordet, in die Flucht oder in den Tod getrieben.
Einen tiefen Einschnitt im Chorleben des Cäcilien-Vereins stellte das Konzert am 8. März 1933 in der Katharinenkirche Frankfurt dar. In diesem Konzert konnten die Mitglieder jüdischer Herkunft zum letzten Mal mitsingen, bevor sie als Folge der „Gleichschaltung“ von den Nationalsozialisten aus der Chorgemeinschaft ausgeschlossen wurden.

Stolpersteine für Hanna, Fritz und Ernst Strauss in der Altkönigstr. 11, Frankfurt
© Initiative Stolpersteine Frankfurt am Main e. V.

Der Cäcilienchor hat es sich zur Aufgabe gemacht, die Lebenswege der verfolgten Mitglieder und ihrer Angehörigen zu rekonstruieren und sie dadurch zurück in unsere Mitte zu holen. Im Jubiläumsjahr 2018 setzten sich Mitglieder des Cäcilienchores erstmals intensiv mit dem Verfolgungsschicksal in der NS-Zeit von zwölf ehemaligen Chormitgliedern auseinander. Ihrer wurde im Rahmen einer Ausstellung über die Geschichte des Chores im „Haus am Dom“ in Frankfurt und im Rahmen eines Jubiläumskonzerts gedacht.
Schnell wurde die Bedeutung einer nachhaltigen Aufarbeitung dieses dunklen Kapitels in der Geschichte klar. Hierzu haben wir im Jahr 2019 die „Stolperstein-Arbeitsgemeinschaft im Cäcilienchor Frankfurt“ gegründet, der bis heute rund 15 Chormitglieder angehörigen. Wichtigste Grundlage unserer Recherche sind die historischen Mitgliederlisten des Cäcilien-Vereins. Als Teil der Erinnerungsarbeit initiiert, finanziert und verlegt der Cäcilienchor gemeinsam mit dem Künstler Gunter Demnig und der Initiative Stolpersteine Frankfurt am Main e. V. für die verfolgten ehemaligen Mitglieder und deren Familien in Frankfurt „Steine gegen das Vergessen“. Bisher wurden bereits 35 Stolpersteine verlegt (Stand Mai 2025).
90 Jahre nach dem Ausschluss der verfolgten jüdischstämmigen Mitglieder hat der Cäcilienchor im März 2023 Gedenktage mit Enthüllungen weiterer Stolpersteine, einen Abend der Begegnung im Jüdischen Museum mit den Angehörigen der verfolgten Opfer sowie ein Gedenkkonzert am historischen Ort veranstaltet. Außerdem wurde zu diesem Anlass die Gedenkschrift „Spurensuche - Verfolgte Mitglieder des Cäcilienchors Frankfurt am Main und ihre Familien ab 1933“ vom Cäcilien-Verein Frankfurt e. V. herausgegeben.
Derzeit wird die Verlegung von rund 30 weiteren Stolpersteinen in Frankfurt für April 2026 vorbereitet.
Recherche und Verlegung von Stolpersteinen
![]() Mitgliederliste des Cäcilien-Vereins von 1923/24 |
![]() Enthüllung der Stolpersteine für Familie Neumann im Grüneburgweg 103 am 20. Juni 2020 in Anwesenheit des Frankfurter Oberbürgermeisters © Initiative Stolpersteine Frankfurt am Main e. V. |
In intensiver Recherchearbeit versucht die „Stolperstein-Arbeitsgemeinschaft im Cäcilienchor Frankfurt” so viele biografische Details wie möglich über die verfolgten Mitglieder zusammenzutragen. Wir möchten ihnen damit wieder einen Platz in der Mitte unseres Chores geben.
Um die Erinnerung an ihr Schicksal auch in der Stadt Frankfurt wach zu halten, initiieren, finanzieren, verlegen und pflegen wir in Zusammenarbeit mit dem Künstler Gunter Demnig und der Initiative Stolpersteine Frankfurt am Main e. V. für diese ehemaligen Mitglieder und deren verfolgte Familienangehörigen „Steine gegen das Vergessen“.
Für die Recherche der Lebenswege und Verfolgungsschicksale nutzen wir eine Vielzahl wichtiger Recherchequellen, insbesondere:
- Hessisches Hauptstaatsarchiv Wiesbaden
- Staatsarchiv Darmstadt
- Institut für Stadtgeschichte Frankfurt
- Shoa Memorial am Börneplatz, Frankfurt
- Jüdisches Museum Frankfurt
- Frankfurter Adressbücher
- Gedenkbuch des Bundesarchivs
- Datenbanken Arcinsys Hessen und Lagis Hessen
- Arolsen Archives
- Yad Vashem
- Datenbank Washington Memorial
- ... und viele mehr.
Mitgliederliste des Cäcilien-Vereins (Auszug), 1923/24, Auszug Familie Hohenemser
Bisherige und geplante Verlegungen
Die Namen aller Menschen, für die in Frankfurt bisher Stolpersteine verlegt worden sind, lässt sich in der nach Namen sortierten Gesamtliste oder in der Kartenansicht der Stolpersteine nachschlagen.
Für folgende Mitglieder des Cäcilienchores und ihre Angehörigen wurden bisher 35 „Steine gegen das Vergessen“ verlegt (Stand: Mai 2025):
Jahr | Name | |
---|---|---|
2017 | Clara Burgheim | Mitglied |
2018 | Emil W. Hohenemser | Mitglied |
Moritz W. Hohenemser | Mitglied | |
2020 | Verlegung von Stolpersteinen für ehemalige Mitglieder unseres Chores bzw. ihrer Familienangehörigen. | |
Helene Neumann | Mitglied | |
Paul Neumann | Mitglied | |
Elisabeth Neumann | Mitglied | |
Richard Neumann | Angehöriger | |
Annemarie Neumann | Mitglied | |
Gertrud Neumann | Angehörige | |
Clara Louise Dondorf | Mitglied | |
Estelle „Ella“ Dondorf | Mitglied | |
2023 | Verlegung weiterer Stolpersteine im Rahmen der Gedenktage des Cäcilienchores | |
Therese Istel | Mitglied | |
Robert Julius Istel | Angehöriger | |
Ellen Sara Hirsch | Angehörige | |
Walter Ellinger | Angehöriger | |
Alice Ellinger | Mitglied | |
Olga Ellinger | Angehörige | |
Margit Jacobi | Mitglied | |
Erwin Jacobi | Angehöriger | |
Dora Margit Jacobi | Angehörige | |
Erika Bock | Angehörige | |
Hugo Bock | Mitglied | |
Johanna Bock | Angehöriger | |
Martha Lucie Bock | Mitglied | |
Lilli Cecilie Bock | Angehörige | |
Rosalie Kern | Angehörige | |
Franziska Rosenthal | Angehörige | |
Anneliese Cohen | Angehörige | |
Fritz Strauss | Mitglied | |
Hanna Strauss | Mitglied | |
Ernst Strauss | Mitglied | |
Louise Strauss | Mitglied | |
Daisy Strauss | Mitglied | |
Emilie Goldschmidt | Mitglied | |
Karl Bacher | Angehöriger |
![]() Enthüllung der Stolpersteine für Emilie Goldschmidt und Karl Bacher im März 2023 vor dem Wohnhaus in der Freiherr-vom-Stein-Straße 23 in Frankfurt © Initiative Stolpersteine Frankfurt am Main e. V. |
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![]() Portrait von Estelle Dondorf Stolperstein in der Lenaustraße 39 © privat / Familie Quervain |
![]() Hugo Bock um 1930 © privat |
![]() Dokument über die „Einlieferung“ Walter Ellingers in das Konzentrationslager Buchenwald am 12.11.1938 Quelle: Arolsen Archives |
Für folgende Personen ist die Recherche abgeschlossen und die Verlegung von Stolpersteinen im Frühjahr 2026 initiiert:
Name | |
---|---|
Constance Julietta Hohenemser | Mitglied |
Meta Hohenemser | Angehörige |
Wilhelm Heinrich „Willy“ Hohenemser | Angehöriger |
Susanne Cordelia Adele „Deli“ Hohenemser | Mitglied |
Gertli Hohenemser | Angehörige |
Mariel Hohenemser | Angehörige |
Julie Clara Hohenemser | Mitglied |
Martha Elisabeth Hohenemser | Mitglied |
Robert Hohenemser | Angehöriger |
Hermine Adler-Stiebel | Mitglied |
Arthur Adler-Stiebel | Angehöriger |
Franz Adler | Angehöriger |
Elisabeth Adler | Angehörige |
Heinz Adler | Angehöriger |
Elisabeth Adler | Angehörige |
Robert Knoblauch | Mitglied |
Moritz Nathan Oppenheim & Katharina Oppenheim | Mitglieder |
Paul Oppenheim | Angehöriger |
Stephane Oppenheim | Angehöriger |
Felix Oppenheim | Angehöriger |
Gabrielle Oppenheim | Angehörige |
Leopold Nebenzahl | passives Mitglied |
Betty Nebenzahl geb. Hirsch | Angehörige |
Carla Pineas geb. Nebenzahl | Angehörige |
Moritz Pineas | Angehörige |
Eva Sarah Pineas Emanuel | Angehörige |
Itzhak Nebenzahl | Angehörige |
Hildegard Nebenzahl geb. Hollander | Angehörige |
![]() Moritz Nathan und Katharina Oppenheim um 1914 Institut für Stadtgeschichte |
![]() Willy Hohenemser © HHStaW |
Angehörige
Sehr wichtig ist es für uns, nach Möglichkeit Angehörige unserer ehemaligen Mitglieder ausfindig zu machen, damit sie bei der Verlegung der Stolpersteine für ihre Vorfahren dabei sein können. Wenn möglich, beziehen wir die Angehörigen auch in die Gestaltung der Verlegungen mit ein. Diese Momente sind für alle Beteiligten berührend und bereichernd.
Wir haben viel Zuspruch von Angehörigen aus allen Teilen der Welt für unsere bisherige Arbeit erhalten. Einige Kontakte zu den Angehörigen bestehen bis heute.
Angehörige von Therese Istel und ihren Kindern Robert und Ellen nach
der Enthüllung der Stolpersteine im März 2023 - Palmengartenstraße 8
© Evelyne Schüttler-Hauck
Cynthia Strauss bei der Enthüllung der Stolpersteine für ihren Vater Ernst und Fritz und Hanna Strauss
in der Altkönigstraße 11
© Initiative Stolpersteine Frankfurt am Main e. V.
Nachfahren der Familie Bock aus USA und Großbritannien nach dem Gedenkkonzert
in der Katharinenkirche im März 2023
(mit unseren Chormitgliedern Monica Zieler und Matthias Knoche)
© Angelika Rieber
Pflege der verlegten Steine
Auch nach der Verlegung kümmern sich die Mitglieder des Cäcilienchores stellvertretend für die Angehörigen, die größtenteils im Ausland leben, um die Pflege der vom Chor initiierten Stolpersteine. Vornehmlich zu wichtigen jüdischen Feiertagen oder Gedenktagen wie Jom ha Schoa oder der Befreiung des KZ Auschwitz-Birkenau werden die „Steine gegen das Vergessen“ geputzt, so dass sie durch ihren Glanz wieder die Aufmerksamkeit der Passanten auf sich ziehen. Auch biografische Ehrentage können ein Anlass sein, sich regelmäßig um die Steine zu kümmern und sie zu putzen.
Daisy und Louise Strauss
Elisabeth, Helene, Paul, Richard, Annemarie und Gertrud Neumann
Moritz W. Hohenemser
Emilie Goldschmidt, Karl Bacher
Hanna, Fritz und Ernst Strauss
Robert Julius und Therese Istel, Ellen Sara Hirsch
Für die Pflege der Stolpersteine orientieren wir uns an der Putzanleitung der Initiative Stolpersteine Frankfurt am Main e. V.
Gedenktage und Konzert im März 2023
Am 8. März 1933 fand in St. Katharinen, der evangelischen Hauptkirche Frankfurts, ein Konzert des Cäcilien-Vereins statt, an dem die jüdischstämmigen Mitglieder zum letzten Mal mitsangen – ein Chor- und Orgelkonzert mit Brahms-Motetten und Orgelvorspielen.
Konzertprogramm vom 8. März 1933
Um die Erinnerung an den Ausschluss der Mitglieder jüdischer Herkunft aus unserer Chorgemeinschaft wachzuhalten, hat der Cäcilienchor im März 2023 drei Gedenktage veranstaltet, an denen rund fünfzig aus Frankreich, Großbritannien, Israel, Österreich und den USA angereiste Angehörige unserer ehemaligen Mitglieder teilnahmen.
Der Abend der Begegnung im Jüdischen Museum
Am 4. und 5. März wurden insgesamt 23 Stolpersteine für Mitglieder und Angehörige enthüllt. Am 5. März fand außerdem im Jüdischen Museum ein Abend der Begegnung statt, an dem die Angehörigen sowie rund 70 Chormitglieder und deren Familien und Freunde teilnahmen. Das „Jerusalem-Duo“ umrahmte den Abend musikalisch. Die Gedenktage endeten schließlich mit der Wiederholung des Konzerts von 1933 nach 90 Jahren am 6. März 2023 am historischen Ort und mit identischem Konzertprogramm.
Das Gedenkkonzert am 6. März 2025
Die Gedenktage wurden von den Medien in Presse und Rundfunk intensiv begleitet (siehe Rubrik „Mediale Begleitung / Veröffentlichungen“).
Mediale Begleitung / Veröffentlichungen
Die bisherigen Aktivitäten im Rahmen der Erinnerungsarbeit des Cäcilienchores wurden medial vielseitig begleitet:
- Bericht über die erste Verlegung am 20. Juni 2020
- Gedenktage im März 2023
Vorbericht auf hr2 über die Gedenktage März 2023:
Radiomitschnitte von hr2 kultur (Hessischer Rundfunk) in der Sendung „Musikland Hessen“ vom 4. März 2023, hier veröffentlicht mit freundlicher Genehmigung von hr2 als einzelne MP3-Dateien.- Einleitung (0:55)
- Bericht mit Interviews Judith Wilke-Primavesi und Christiane Grün (4:01)
- Moderation (0:31)
- Moderation (0:10)
- Interview mit Klaus Weber (9:19)
- Gedenkkonzert am 6. März 2023 in der Katharinenkirche Frankfurt
- Broschüre zur Rückschau auf die Gedenktage im März 2023
- Weitere Bilder vom Gedenkkonzert und Abend der Begegnung
- Verlorene Stimmen – Der Frankfurter Cäcilienchor verfolgt die Spuren seiner früheren jüdischen Mitglieder
hr2 Podcast, 10. November 2023
Umfassender Bericht über die Aktivitäten der Stolperstein-Arbeitsgemeinschaft im Cäcilienchor Frankfurt.
Länge: 24:58 Min
Außerdem hat der Cäcilien-Verein Frankfurt e.V. im Jahr 2023 eine ausführliche Gedenkschrift herausgegeben: „Spurensuche - Verfolgte Mitglieder des Cäcilienchors Frankfurt am Main und ihre Familien ab 1933“ (120 Seiten, in deutscher/englischer Sprache)
Herausgegeben vom Cäcilien-Verein Frankfurt 2023
Kontakt
Gegenwärtig arbeiten folgende Personen in der „Stolperstein-Arbeitsgemeinschaft im Cäcilienchor Frankfurt“ mit: Annette Appel, Silvia Bartholl, Juliane von Boeselager, Christiane Grün, Matina Herholz, Thomas Hohmann, Dirk Kienitz, Matthias Knoche, Lidia Lechwar, Stefan Metzen, Evelyne Schüttler-Hauck, Susanne Schulz, Klaus Weber, Judith Wilke-Primavesi, Monica Zieler.
Sie möchten mehr über die Stolperstein-Arbeitsgemeinschaft erfahren oder die Finanzierung der Stolpersteine unterstützen? Wir freuen uns auf Ihre Kontaktaufnahme:
- Stolperstein-Arbeitsgemeinschaft im Cäcilienchor Frankfurt
stolpersteine@ caecilienchor.de